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29. Januar 2007
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KZ-FOTODATENBANK

Detektivarbeit gegen die Leugner

Von Jan Friedmann

Fotos aus den Todeslagern der Nazis werden oft zur p”dagogischen Schocktherapie eingesetzt - aber sie sind h”ufig schlecht dokumentiert. Falsche Zuordnungen rufen jedoch Holocaust-Leugner auf den Plan. Die Gedenkst”tte Buchenwald wehrt sich jetzt gegen die Geschichtsklitterer.

In einer Feierstunde hat heute der Bundestag der von den Nationalsozialisten ermordeten Juden gedacht, am Wochenende waren bundesweit zahlreiche Veranstaltungen vorausgegangen. P¸nktlich zum Holocaust-Gedenktag, dem Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, wartet die Gedenkst”tte Buchenwald mit einer in Deutschland einzigartigen Internet-Datenbank auf: Sie macht aus ihrem Bestand an Fotografien aus dem ehemaligen Konzentrationslager rund 600 Bilder online zug”nglich.

Fotoarchiv Buchenwald: Dokumentation des Grauens

Fotostrecke starten: Klicken Sie auf ein Bild (13 Bilder)

Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gef–rderte wissenschaftliche Projekt ist eine wichtige Erg”nzung zum ritualisierten –ffentlichen Gedenken: Mit dem "Fotoarchiv Buchenwald" erhebt die Gedenkst”tte den Anspruch, die erste quellenkritische Bildsammlung von KZ-Fotografien der breiten ÷ffentlichkeit zug”nglich zu machen. In m¸hsamer Kleinarbeit pr¸ften die Wissenschaftler jedes einzelne Bild auf seine Herkunft.

Die Sammlung markiert einen neuen Umgang mit Bild-Dokumenten der NS-Verbrechen: Bislang stand f¸r viele Gedenkst”tten und Medien die p”dagogische Wirkung im Vordergrund. Zugunsten des maximalen Effekts nahm man es mit der wissenschaftlichen Erforschung der Bilder nicht so genau.

"Einladung an Holocaust-Leugner"

"Da wurde ein Foto mal Buchenwald, mal Dachau und mal Nordhausen zugeordnet", erz”hlt Volkhard Knigge, Leiter der Gedenkst”tte Buchenwald. Statt Aufkl”rung zu leisten, so Knigge, h”tten bisweilen "p”dagogisches Gerede und moralische Beduseltheit" den Umgang gepr”gt.

Eine Nachl”ssigkeit mit fatalen Folgen. "Das ist eine Rieseneinladung an Revisionisten und Holocaust-Leugner", warnt der Historiker. Diese nutzten selbst kleine Unstimmigkeiten bei der Dokumentation von NS-Bilddokumenten, um abzustreiten, dass die Verbrechen ¸berhaupt geschehen seien.

Die Findigkeit der Leugner sei nicht zu untersch”tzen. Sie bedienten sich h”ufig eines vermeintlich "akribischen Positivismus", der sich wissenschaftlich gewande. So kratzten Holocaust-Leugner beispielsweise chemische Proben von den Ruinen in Auschwitz-Birkenau, um nachzuweisen, dass dort angeblich niemals das Vernichtungsgas Zyklon B benutzt worden sei.

Die bisherige Anarchie im Umgang mit Bildern der NS-Verbrechen machte es Revisionisten und Reinwaschern leicht: Die Bilder sind in alle Welt verstreut, die Fotografen h”ufig unbekannt oder tot. Die Fotos sind, wenn ¸berhaupt, dann nur sp”rlich beschriftet, falsche Zuschreibungen werden ungepr¸ft ¸bernommen.

Wehrmachtsausstellung als Warnung

Ihr laxer Umgang mit Bildern wurde beispielsweise den Machern der Hamburger Wehrmachtsausstellung zum Verh”ngnis: Sie mussten vor sechs Jahren ihre Ausstellung schlieþen und v–llig ¸berarbeiten, nachdem Historiker gravierende Fehler in mehreren Bildlegenden nachgewiesen hatten. Eine Steilvorlage f¸r Kritiker, denen die ganze Stoþrichtung der Ausstellung nicht passte, und die weiter die M”r vom sauberen Frontsoldaten kolportieren wollten.

Die wissenschaftliche Kommission, die w”hrend des vor¸bergehenden Stopps f¸r die Ausstellung die Herkunft einiger Bilder untersuchte, stieþ teilweise in in f¸nf verschiedenen Bildarchiven auf ein und dasselbe Foto, mit f¸nf verschiedenen Bildunterschriften und Zuordnungen. Die Ausstellungsmacher hatten diese Unstimmigkeiten nicht weiter gepr¸ft und so beispielsweise Verbrechen, die die sowjetischen Geheimpolizei NKWD ver¸bt hatte, deutschen Soldaten zugeordnet - ein gravierender Fehler.

In ihrem Gutachten mahnten die Wissenschaftler einen "sorgf”ltigen Umgang mit den ¸berlieferten Dokumenten" an, "insbesondere mit den Fotos". Eine Warnung nicht f¸r die Initiatoren der betroffenen Ausstellung, sondern f¸r Museen und Gedenkst”tten insgesamt.

Lageralltag im Bild

So zeigt die aktuelle quellenkritische Fotosammlung von Buchenwald nicht nur die gel”ufigen KZ-Motive, Leichenberge oder Bilder von durch Zwangsarbeit und Hunger ausgezehrten Menschen, sondern erg”nzt diese Ikonen des Grauens durch vergleichsweise unspektakul”re Aufnahmen von Bauarbeiten, durch Erkennungsportr”ts von H”ftlingen oder durch Ðbersichten ¸ber das Lager, in dem die Nationalsozialisten ¸ber 50.000 Menschen ermordeten.

Man habe genau zu rekonstruieren versucht, wer das jeweilige Bild aufnahm, erz”hlt Holm Kirsten, der das Projekt betreut. War es ein Auftragsbild f¸r die SS, die das Lager als n¸chterne und hygienische Besserungsinstitution pr”sentieren wollte? Machten amerikanische Stellen das Foto, um den Deutschen die Greueltaten ihrer Landsleute vorzuhalten? Oder war es gar ein heimlicher Schnappschuss durch einen H”ftling, der Beweismaterial gegen seine Peiniger sammeln wollte?

Bei ihren Nachforschungen stieþen die Wissenschaftler der Gedenkst”tte auch auf einige F”lschungen: So nahmen es die DDR-Historiker mit der historischen Wahrheit noch weniger genau als viele bundesdeutsche Geschichtsp”dagogen. Den antifaschistischen Verwaltern des Lagers erschienen Haufen von toten K–rpern, die die Amerikaner bei der Befreiung das Lagers fotografiert hatten, als zu klein, um die Verbrechen zu illustrieren - zumal es aus Auschwitz Bilder von noch gr–þeren Leichenbergen gab. So klebten sie einfach Bilder von zwei Leichenbergen zusammen, um das Grauen zu verst”rken.

Die begr¸ndete Hoffnung der Wissenschaftler: Wer solche Klitterungen und Unstimmigkeiten offenlegt, st”rkt die Beweiskraft der vielen authentischen Dokumente noch einmal zus”tzlich - und erschwert professionellen Holocaust-Leugnern ihr perfides Handwerk.



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