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Saul Kagan, Geschäftsführer der Holocaust Claims Conference, verdiene in zwölf Tagen mehr, als Finkelsteins Mutter für sechs Jahre Nazi-Horror erhalten habe.quoteend

 

Norman Finkelstein hat in der Süddeutschen Zeitung (11. August) seine These von der „Holocaust-Industrie" vorgestellt, welche das Leiden der Juden ausbeute. Nach Charles S. Maier (SZ vom 16. August) und Ulrich Herbert (SZ vom 18. August) meldet sich nun Marcia Pally zu Wort, Journalistin, Kritikerin und Professorin an der New York University.

Süddeutsche Zeitung - FEUILLETON Dienstag, 22. August 2000 Seite 15

 

Tanz mit der Besonderheit

Wer fürchtet Norman Finkelstein?

Von Marcia Pally

MIT aufgeregten Besprechungen in den USA und einem ganzen Stapel von Artikeln in Deutschland ist Norman Finkelsteins Buch „The Holocaust Industry" empfangen worden, und wir alle sollen den Autor nun für den ersten Vertreter eines neuen Trends halten. Schließlich schrieb die New York Times, Finkelstein habe „seine eigene Holocaust-Industrie begründet". Dabei liefert er alles andere als den Grundstein zu einer neuen Debatte; sein Buch ist einfach Teil des zeitgenössischen jüdisch-amerikanischen Nachdenkens über den Holocaust.

FinkelsteinBk2Das hat schon andere Bücher hervorgebracht (insbesondere Peter Novicks „The Holocaust in American Life", 1999) und wird weitere hervorbringen. Dieser Denkprozess ist ein Tauziehen zwischen Parteien, die ich Essentialisten und Kontextualisten nennen möchte; er reflektiert die relativ bequeme Situation der amerikanischen Juden, die aus historischer Perspektive erstaunlich ist, ebenso wie das nichtsdestotrotz anhaltende Dilemma jüdischer Identität. Die Essentialisten -- zu ihnen zählen Elie Wiesel und, in seinem Glauben an einen charaktertypischen oder essentiellen deutschen Antisemitismus, Daniel Goldhagen -- beharren darauf, dass der Holocaust einzigartig sei und wir uns kein moralisches Bildnis machen dürfen.

Das bedeutet: Die Erinnerung an seine Schrecken darf ethisch zu nichts anderem verwendet werden als dazu, sich selbst fortzuschreiben. Auslegungen, Darstellungen und Gedenkstunden sind suspekt; künstlerische Gestaltung ist unmöglich. Für die Kontextualisten, Erben der amerikanischen strukturalistisch-dekonstruktivistischen Foucault-Melange, stellt Erinnerung dagegen immer eine Interpretationsleistung dar, die sich aus den Ängsten und Absichten der Erinnernden unvermeidlich ständig neu erschafft. Novick beispielsweise zeichnet die Umformung der Bedeutung des Holocaust durch die amerikanischen Juden nach -- ihren sozio-politischen Treck vom Konservativismus der McCarthy-Ära, über die ethnische „Identitätspolitik", über Israels doppelte Identität als David gegenüber dem arabischen Goliath und als Goliath gegenüber den Palästinensern, hin bis zum Auftauchen der Essentialisten in den achtziger Jahren. Beide Seiten verfügen über kluge Kombattanten.

Doch in ihren weniger großzügigen Momenten bezichtigen die Essentialisten die Kontextualisten, sie würden, verblendet vom jüdisch-amerikanischen Wohlstand, den fortdauernden, einzigartigen Hass gegen die Juden nicht mehr wahrnehmen. Und die Kontextualisten beschuldigen die Essentialisten, den Holocaust für ihre eigenen unschönen Zwecke zu benutzen -- etwa zur Unterstützung der territorialen Ansprüche Israels, als Warnung gegen die Assimilierungstendenzen der amerikanischen Juden oder zur Selbstbereicherung durch Holocaust-Reparationen. Dies nennt Finkelstein die „Holocaust-Industrie". Novick hat sehr laut in dieser Manier argumentiert; bei Finkelstein drohen einem die Trommelfelle zu platzen.

Dabei entkommen beide nicht dem zentralen inneren Widerspruch des Kontextualismus: Wenn man Interpretation nur durch die eigene Brille und zu eigenen Zwecken leisten kann, warum werden beide dann so böse, wenn die Essentialisten das tun? Aus diesem ganzen intellektuellen Geschrei lernt man wenig über den Holocaust, die Wiedergutmachungszahlungen oder Deutschland, dafür aber viel über den inneren Zustand des amerikanischen Judentums; jeder gute Kontextualist wie Finkelstein weiß das. Was dabei in Deutschland unangenehm antisemitisch herüberkommt, klingt in den USA nicht ganz so schlimm. Dort blasen nicht die „Weisen von Zion" zum Angriff, sondern ein respektierter Jude greift einen anderen an -- innerhalb einer vielschichtigen und einflussreichen jüdischen Gemeinde.

ehen spiegelt die Debatte die Normalisierung der jüdischen Präsenz in den Vereinigten Staaten wieder: Zumindest einige von uns glauben, dass nicht gleich ein Pogrom folgt, wenn man Juden böse Dinge vorwirft, selbst wenn Nichtjuden das mitbekommen. Und dennoch war der US-Presse unwohl. Der New York Times missfielen Novicks Zynismus und sein flapsiger Ton. Finkelsteins Buch nannte sie eine „Perversion", „pubertär", „selbstgerecht" und „dumm". Viele jüdische und nicht-jüdische Beobachter fürchten, dass Finkelsteins Angriffe auf jüdische Organisationen und Einzelpersonen den Antisemiten Munition liefern werden, deren einzigartiger Hass fortdauert. Das Erbe dieses Hasses und die Angst vor seinem Wiedererstarken machen die Juden selbst in den USA zu einem unbehaglichen Ausnahmefall.

Finkelsteins Buch ist eine anschauliche Fallstudie für diese jüdisch-amerikanische Mischung aus Selbstbewusstsein und Ängsten. Finkelstein bringt einige vernünftige Argumente; er fordert etwa, dass Stiftungen ihre Mittel, von denen er ironischerweise findet, dass sie gar nicht erst hätten gesammelt werden dürfen, rasch an die Holocaust-Überlebenden verteilen; er erinnert daran, dass die USA jüdische Flüchtlinge ebenso zurückgewiesen haben wie die Schweiz, oder daran, dass amerikanische und israelische Banken noch immer Eigentumswerte europäischer Juden zurückhalten. Aber das sind Gründe, diese Banken unter Druck zu setzen, nicht, die Verhandlungen mit der Schweiz oder der deutschen Wirtschaft über die Zwangsarbeiterentschädigungen abzubrechen (die im wesentlichen armen, älteren Nicht-Juden in Osteuropa zu Gute kommen werden).

Kurz, Finkelsteins Forderungen lassen sich erfüllen. Warum also hebt er zu so einem hitzigen „J'accuse" an? Er könnte dem Anspruch der Essentialisten auf die Einzigartigkeit des Holocaust überzeugend entgegentreten, ohne sie für dessen Mythologisierung grün und blau zu prügeln -- zumal Gruppen immer dazu neigen, ihr Märtyrertum zu mythologisieren; jeder gute Kontextualist wie Finkelstein weiß das. Und sie tun es aus eben den Gründen, die Finkelstein heruntermacht: zur Identitätsbildung, und um territoriale, finanzielle und politische Ansprüche zu rechtfertigen. Die meisten Religionsgemeinschaften haben so funktioniert, die Katholiken waren besonders effektiv.

Finkelstein hätte die Musealisierung des Holocaust und des jüdischen Lebens im Vorkriegseuropa in Frage stellen können, ohne auch noch die Verwendung von Reparationen zum Aufbau lebendiger jüdischer Gemeinden zu denunzieren. Warum beschimpft er die amerikanischen Juden dafür, den Holocaust zu einer Geldfrage gemacht zu haben, wenn er selbst in seinem Buch nicht darüber hinausgeht? Was verdienst du, Bruder? „The Holocaust Industry" ist im Grunde eine Buchhaltung jener Mittel, die Finkelstein den Überlebenden des Holocaust, ihren Erben oder jüdischen Organisationen nicht zugesteht. Er beharrt darauf, dass sie schon zu viel bekommen haben.

Es war wirklich mutig von ihm, das aufzuschreiben, wo es doch beim Lesen so müde macht, und das Kreuz des Holocaust-Buchhalters auf sich zu nehmen -- oder des Holocaust-Knauserers. Man versteht ein wenig, was ihn dazu getrieben hat, wenn er beschreibt, wie seine Eltern das Warschauer Ghetto und die Konzentrationslager überlebt haben und seine Mutter trotzdem nur 3 500 Dollar Entschädigung bekam. Andere, die weniger gelitten haben, schreibt er, hätten Renten auf Lebenszeit erhalten. Saul Kagan, Geschäftsführer der Holocaust Claims Conference, verdiene in zwölf Tagen mehr, als Finkelsteins Mutter für sechs Jahre Nazi-Horror erhalten habe.

Elie Wiesel erhalte Vortragshonorare von 25 000 Dollar, dazu einen Wagen mit Chauffeur. Sollen wir jetzt Finkelstein fragen, was er verdient? Was hat ihn zu so platten Einlassungen getrieben? Der Neid war es nicht, selbst seine Gegner haben ihm das nicht vorgeworfen. Die Frage führt uns zurück zur Falle des Besonders-sein-Wollens. Die Juden wie die Deutschen sind mit dem Holocaust intim, weil er uns besonders macht. Ohne ihn wären die Deutschen nur Europas Großindustrielle und die amerikanischen Juden nur ein Teil der höheren amerikanischen Berufsstände.

Er aber garantiert uns beiden eine glitzernde Rolle im Drama der Geschichte.

Die Essentialisten wollen besonders sein, also entdecken sie immer neue Überlebenden, damit die Show weitergeht. Die Kontextualisten wollen auch besonders sein, sind sich aber der widersprüchlichen Stellung bewusst, die ihr Begehr in der jüdischen Geschichte hat. Wie alle Juden wollen sie unter anderem deshalb besonders sein, damit niemand Gründe findet, sie vom gesellschaftlichen Leben auszusperren. Das ist immer die Überlebensstrategie der europäischen wie der amerikanischen Juden gewesen.

Aber zu sichtbar, zu mächtig wollen sie auch nicht werden, das könnte bedrohlich auf die nichtjüdische Mehrheit wirken, ist also gefährlich. Aus der Besonderheit des Märtyrertums territoriales, finanzielles oder politisches Kapital zu schlagen, fällt ihnen zum Beispiel weniger leicht als den Katholiken. Finkelstein schreibt offen von seiner Angst, eine Raffmentalität im Umgang mit Entschädigungszahlungen könne einen neuen Antisemitismus herauf beschwören. Im Grunde ist Finkelsteins Buch eine Pirouette in jenem nervösen jüdisch-amerikanischen Tanz, den wir in New York heute tanzen: den des „Besonders-Sichtbar-Erfolgreich-Seins" mit der Angst, uns könnte all das um die Ohren fliegen. Finkelstein möchte wirklich besonders sein, nicht einer der vielen Überlebenden (was den Essentialisten genügen würde), sondern Teil einer kleinen Elite „wahrhaft" Leidender (in die man ihn bereitwilliger aufnehmen würde, hätte er sich die Aufnahmeregeln nicht selbst auf den Leib zugeschnitten). Ironischerweise hat gerade sein Drang, besonders zu sein, Finkelstein zum Buchhalter gemacht.

Gleichzeitig fürchtet er so sehr, die jüdischen Ansprüche auf Entschädigungen könnten einen neuen Antisemitismus entfachen, dass er die Juden sicherheitshalber als erster und am lautesten denunziert. Er weiß, dass ihn das nicht retten würde: Den nächsten Nazis wäre das so egal wie denen von damals. Aus dem jüdischen Dilemma gibt es keinen Ausweg. Selbst in Amerika nicht, allem Erfolg zum Trotz. Bis heute.square

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