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Hamburg, 17. Januar 2000


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David Irving ist sein eigener Verteidiger

Der umstrittene Historiker vor Gericht: Eine Zwischenbilanz der ersten Woche

 

Von Thomas Kielinger, London

Die erste Woche in dem Verleumdungsprozess "Irving versus Lipstadt und Penguin Books" (s. WELT vom 1101.) ist über die Bühne; das Hin und Her der Argumente auf der Schnittstelle von Geschichte und Fälschung von Geschichte.

Man wird als Beobachter nicht das Gefühl los, dass hier einer, den der Anwalt der Beklagten, Richard Rampton, "zögert, einen Historiker zu nennen", sich selber unausgesprochen als selbsternannter Anwalt des deutschen Namens aufwirft und mit einer Selbstgerechtigkeit ohne gleichen seinen Ein-Mann-Feldzug führt gegen "die irreführende, unhilfreiche, vage, ungenaue und unwissenschaftliche Terminologie 'Holocaust'". Die deutschen Behörden haben sich freilich diesen Advokaten des deutschen Namens rechtens und sehr ausdrücklich verbeten. Es liegt sogar, wie Irving selber im Londoner Gerichtssaal bestätigte, ein formelles Ersuchen um seine Auslieferung vor, auf welches das britische Innenministerium und Scotland Yard noch nicht reagiert haben. David Irving war 1992 nicht zu dem Prozess um seine auf einer Konferenz 1990 in Weinheim gemachten inkriminierten Äußerungen über den Völkermord erschienen.

Den Holocaust als Begriff hat der britische Autor selber aus der zweiten Auflage seines Buches "Hitlers Krieg", 1991, vierzehn Jahre nach dem Ersterscheinen, sorgfältig getilgt. Er lässt ihn, von der Verteidigung darüber ins Kreuzverhör genommen, nur noch "für den Zweiten Weltkrieg insgesamt" gelten, "und für die Menschen, die darin starben, was nicht nur Juden waren sondern auch Zigeuner und Homosexuelle, die Menschen in Coventry und die Menschen in Hiroshima". Richard Rampton aber, der Irving vorwirft, "das Schlachtschiff Auschwitz versenken zu wollen", möchte ihn an seinen eigenen Definitionen baumeln sehen. Und so fragt er weiter, wie viele unschuldige Juden denn nach seiner Meinung von den Nazis "bewusst" getötet worden seien. Hintersinnig nennt Irving daraufhin Anne Frank, die in Bergen-Belsen an Typhus starb, um hinzuzufügen: "Sie war eine Jüdin, die im Holocaust umkam, aber sie wurde nicht ermordet, es sei denn, sie legen das im weitesten Sinne so aus."

Ein Dialog könnte in seiner Semantik von großer Bedeutung sein für den Prozessausgang. Irving wirft der amerikanischen Forscherin Deborah Lipstadt vor, sie habe ihn in ihrem 1993 bei Penguin Books erschienem Buch "Die Veneinung des Holocaust - der wachsende Angriff auf die Wahrheit und die Erinnerung" einen "Holocaust-Leugner" und "historischen Verfälscher" genannt und damit sein Ansehen und seine ökonomische Basis schwer beschädigt. Mehr und mehr Verlage weigerten sich, mit ihm zusammenzuarbeiten. Und in den Ländern, die ihn inzwischen nicht mehr einreisen lassen, könne er keine Vortragshonorare mehr verdienen. "Mylord, wenn Sie nach einer Überschrift für diesen Prozess suchen", wandte sich Irving an den vorsitzenden Richter Gray, "dann schlage ich vor: Bilder einer Exekution."

Justice Gray wird aber nach ganz anderen Dingen suchen. Er muss streng nach der Rechtsprechung des Landes bei Verleumdungsklagen urteilen, und die bürdet der beklagten Partei - also Frau Lipstadt - den Nachweis auf, dass sie mit ihren Behauptungen die Wahrheit getroffen und nicht nur im gutem Glauben eines Interpreten ihre Vorwürfe gegen Irving publiziert hat. In den USA beispielsweise hätte Irving mit seinem Prozess keine Aussicht auf Erfolg, weil dort die Bringschuld auf dem Kläger liegt, dem Beklagten "böswillige Absicht" nachzuweisen. Das wird im Bereich wissenschaftlicher Publikationen fast immer ausgeschlossen.

Großbritannien andererseits, gerade wegen der umgekehrten Beweislast, ist das Mekka für Verleumdungskläger aus aller Welt geworden. Und nur hier kann Irving hoffen, dem Hauch einer Chance auf Rechtfertigung nahezukommen, unbeschadet der Frage nach der Wissenschaftlichkeit seines eigenen Werks. Die Verteidigung sucht also den Autor in Formulierungen zu fangen, die vor Gericht die Thesen Deborah Lipstadts über Irving, den Leugner und Fälscher, belegen. Dessen unscharfe Formulierungen zur Frage der Mord-"Absicht" gegen Juden, wie auch sein verschwommener Gebrauch des inzwischen zu einem Terminus technicus avancierten Begriffs "Holocaust" selber müssen daher für die beklagte Seite von besonderem Wert sein. Dieser prozessnüchterne Hintergrund wird freilich immer wieder von Szenen großer Bewegtheit abgelöst; sie erinnern daran, dass es hier um ein noch mitten in das Leben vieler Menschen reichendes Kapitel der Zeitgeschichte geht, und nicht allein um das Recht und die Obsession eines David Irving.

Es war Donnerstag, das Ende des dritten Gerichtstags erreicht, Irving hatte wieder seine These vorgetragen, dass die Vergasungen in Auschwitz unmöglich den von der Wissenschaft allgemein attestierten Umfang erreicht haben konnten. Der Kläger verlässt den Raum Nr. 37 des Londoner High Court, da tritt eine Frau auf ihn zu und erinnert ihn daran, dass beide Großeltern in den Gaskammern von Auschwitz umgekommen seien. Ungerührt gibt der Angesproche zurück: "Sie werden sich vielleicht freuen, zu hören, dass Ihre Großeltern ziemlich sicher an Typhus starben, wie Anne Frank."

Aus Irving spricht die unappetitliche Mischung eines Wadenbeißers und Sentimentalisten, der ohne Rücksicht auf die Gefühle anderer vom Leder ziehen kann, aber sich selber als Opfer einer großen Diffamierung aufspielt. Die Verteidigung hält dagegen, was sich der Autor etwa auf einer Konferenz im kanadischen Alberta, im September 1991, geleistet hat, als er unter dem Gelächter des Publikums "ganz geschmacklos", wie er sich brüstete, anmerkte, "dass mehr Frauen auf dem Rücksitz von Edward Kennedys Auto in Chappaquiddick gestorben sind als jemals in Auschwitz vergast wurden".

Während Irving sich treuselig als "Laissez-faire-Liberalen" bezeichnet, kann er doch nicht seine Missbilligung über die zu starke Einwanderung von Farbigen nach Großbritannien im Verlauf der letzten Jahrzehnte verbergen. Mit dem Aplomb des Stammtisches fügt er hinzu: "Manchmal denke ich mir, wenn die Soldaten, die da die Strände in der Normandie stürmten, hätten sehen können, was seither geschah ist, sie wären keine 50 Yards weit gekommen. Sie hätten aufgegeben."

Man darf gespannt sein, wie die Experten der Verteidigung - Koryphäen der Hitler-Ära-Forschung wie Robert Browning aus den USA, Jan van Pelt aus Kanada, und aus Großbritannien Peter Longerich und Richard Evans - mit diesem "akademischen Freibeuter" (Die "Times") umgehen werden.


January 17, 2000
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