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Frankfurter Allgemeine Zeitung

Frankfurter Allgemeine Zeitung , Seite 52 / Donnerstag, 10. Februar 2000, Nr. 34


 

 

Alle Zeugen lügen

Nicht wahnsinnig hilfreich: Irvings Hypothesen

 

LONDON, 9. Februar

VOR Gericht antwortet der amerikanische Holocaust-Experte Christopher Browning David Irving im Kreuzverhör, dass er kein Agent Israels sei. Er fügt noch an, ebenso wenig ein Agent Deutschlands, oder anderer Länder zu sein: Da hätte er nämlich viel zu tun. Trotzdem sei es richtig, dass er, wie von Yad Vashem in Israel, auch in anderen Ländern Stipendien, Forschungsgelder und Buchvorschüsse bekommen habe. „In der Holocaust-Forschung ist ziemlich viel Geld drin?", erkundigt sich Irving daraufhin leutselig. „Lange Zeit hätte es mehr sein können", antwortet Browning unerschütterlich: „Ich finde nicht, dass ich besonders gut gelebt habe." Tag zwei von Brownings Einvernahme war ein Stück spektakulärer als der erste Tag. Irving hat zu seinen angriffslustigen Form zurückgefunden und im gehetzten Ton eines von der Schuld des Angeklagten längst überzeugten Staatsanwalts seine Fragen auf den Zeugen niederprasseln lassen.

Richter Gray hat reichlich mit Ermahnungen zu tun: „All das finde ich jetzt nicht so wahnsinnig hilfreich." Doch wenn David Irving abends in Ruhe das Protokoll gelesen haben wird, wird er feststellen, dass er an diesem zweiten Tag für ihn überaus erstaunliche Details aus dem Zeugen Browning herausbekommen hat. Browning hat etwa offen zugegeben, dass auch Historiker Fehler machen. Er hat bestätigt. dass es unter Zeithistorikern eine „heftige Diskussion" über viele Zahlen und Fakten des Dritten Reichs gibt. Er hat Irving sogar erzählt, dass es in Deutschland Historiker gibt, die insofern seiner Meinung sind, als es ihrer Ansicht nach nie einen schriftlichen Befehl Hitlers zur Endlösung gegeben hat. Er nannte dem Richter die Namen Martin Broszats und Hans Mommsens und bestätigte auf Irvings Nachfrage, dass diese beiden sehr angesehene Wissenschafter seien. Doch als Irving aggressiv behauptet, für solche Meinungen werde man doch in Deutschland eingesperrt, lächelt Browning nachsichtig: „Das ist doch Nonsens."

Plötzlich verstrickt Irving Browning in ein Gedankenspiel, das den freundlichen Historiker unversehens zum Richter macht: Wenn noch niemand Broszat und Mommsen weder „Holocaustleugner" genannt noch einzusperren versucht hat, wenn auch solche keine Leugner seien, die ihre eigenen Bücher bei Zweitauflage revidieren wie selbst Raul Hilberg, wo würde man dann die Grenze zu den wahren Leugnern ziehen?

„Wenn es ein kontinuierliches Muster der Verfälschung gibt, sagt Christopher Browning, „wenn dem Leser nicht geholfen, sondern wenn er irregeführt wird." Wenn die „Fehler" und „Irrtümer" (solche hat Irving inzwischen in erstaunlicher Zahl zugegeben) immer in dieselbe Richtung weisen.

„Vielen Dank", unterbricht der richtige Richter Brownings Ausführungen sanft, „aber das hier ist eigentlich meine Sache."

Einmal profitierte Irving an diesem Tag von einer Panne der Verteidigung. Er hielt Browning die Erstfassung von dessen Gutachten vor, in dem noch einige sehr unglaubwürdige Details aus dem Gerstein-Bericht enthalten waren. Kurt Gerstein war ein SS-Mann, der, wie er nach Kriegsende ein bisschen besser untermauern konnte als andere, innerlich zum Regimegegner geworden war. Er hatte die Lager in Treblinka und Belzec besucht und im Gefängnis in Frankreich dazu Notizen gemacht. Wie Browning dem Gericht erörterte, ist Gersteins Zeugnis, vorsichtig behandelt, durchaus von Wert. „Er ist verlässlicher als viele andere Augenzeugen", sagte Browning. „Doch ist manches auch stark übertrieben, wie der 25 Meter hohe Berg von Schuhen, den er in Treblinka aufgeschichtet gesehen haben will. Trotzdem tauchten diese Details in Brownings Erstfassung auf. Der Fall Gerstein unterstützt scheinbar Irvings absurde These, dass Augenzeugenberichte unter keinen Umständen verwendet werden dürfen.

Peinlicherweise hat eine der beiden Anwaltskanzleien die Rohfassung von Brownings Gutachten unberechtigt und voreilig an das Gericht und Irving herausgegeben. „Schreiben Sie Ihre Bücher in einem durch?", fragt der zum ersten Mal leicht verärgerte Browning. Irving grinst: „Mister Rampton würde jetzt sagen, dass Sie mir aus dem Zeugenstand keine Fragen stellen dürfen." „Also gut", sagt Browning. „Ich jedenfalls schreibe, wie jeder gewissenhafte Historiker, mehrere Fassungen meiner Aufsätze und diese war nicht die endgültige." Der Prozess wird fortgesetzt. EVA MENASSE

 


 

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Thursday, February 10, 2000
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