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Schnellwegweiser

 

Der Tagesspiegel

Berlin, den 12. April 2000


Irving-Prozess

Vom Revisionisten zum Märtyrer

(Kommentar) Hans Monath

DAVID Irving ist besessen von zwölf Jahren deutscher Geschichte. Hierzulande gilt der britische Spezialist für die Welt des Nationalsozialismus seit Jahren als Volksverhetzer[*], gegen ihn wurde ein Einreiseverbot verhängt. Seit gestern darf man den Hobby-Historiker und Sachbuch-Autor auch in Großbritannien als "Hitler-Bewunderer" bezeichnen, als "aktiven Holocaust-Leugner, Antisemiten und Rassisten".

Irving selbst hatte den Londoner High Court gegen die US-Historikerin Deborah Lipstadt bemüht, die ihn in ihrem Buch über Holocaust-Leugner einen Lügner und Fälscher nennt. Anders als in Deutschland verfolgt und ahndet die liberale britische Justiz die Attacken des Schriftstellers gegen die historische Realität nicht - die Leugnung des Holocaust ist in England noch straffrei. Deshalb war der Ausgang dieses Zivilprozesses so ungewiss. Es war nicht vorherzusagen, ob der Richter Irvings Haltung zur NS-Vernichtungspolitik zum Thema machen würde oder nur formale Fragen. Das britische Zivilrecht verlangte von Lipstadts Anwälten immerhin den Nachweis, dass Irving bewusst gelogen und absichtlich gefälscht hatte.

In den neun Prozesswochen scheint Irving seine eigene Besessenheit zum Verhängnis geworden zu sein. Der Schriftsteller, der als Autodidakt neue Quellen aufgetan hatte und zum Gesprächspartner von Fachhistorikern aufgestiegen war, tat vor Gericht alles, um genau die Vorwürfe zu belegen, gegen die er sich zur Wehr setzte: Er zeigte sich als Revisionist, bezweifelte zwar nicht Verbrechen gegen Juden, aber die Zahl der Opfer.

 

 

Irving kann nun seine liebste Rolle spielen, die des Einzelkämpfers gegen eine mächtige, verlogene Welt, in der er nun wohl endgültig zum Märtyrer wird.

In quälend langen Exkursen rechnete er die Transportkapazität von Aufzügen in Todeslagern vor oder erklärte die Geständnisse der Täter bei den Nürnberger Prozessen für falsch. Hitler versuchte er von Schuld freizusprechen. In Irvings Inszenierung wurde der Massenmord an den Juden nebensächlich, er selbst zum wahren Opfer.

Was ein juristischer Erfolg für Irving und seine rechtsradikale Unterstützerszene bedeutet hätte, lässt sich leicht ausmalen: Als offizielle Bestätigung der revisionistischen Thesen hätte der Richterspruch ihnen gedient. Die schlimmstmögliche Entwicklung ist abgewendet, doch beeindrucken lassen wird sich dieser Leugner des Judenmordes kaum. Auch das gestrige Urteil passt ins Konzept des Kämpfers gegen die demokratische Geschichtskultur. Irving kann nun seine liebste Rolle spielen, die des Einzelkämpfers gegen eine mächtige, verlogene Welt, in der er nun wohl endgültig zum Märtyrer wird. Das wird ihm weiter Anerkennung eintragen bei der Internationale des Rassismus.

In einer Zeit, in der das Internet skandinavische Neonazis und südafrikanische Apartheid-Veteranen, die "Zundelsite" des deutsch-kanadischen Hitler-Fans und den französischen "Front National" verbindet, können sich die Hüter der Wahrheit weder allein auf das britische Recht noch auf deutsche Gesetze gegen Holocaust-Leugner verlassen. Weltbilder und Thesen wie die Irvings zu bekämpfen, wird nach dem Ende des Prozesses wieder eine Aufgabe für Historiker, Publizisten und Pädagogen. Aber ein deutliches Aufatmen über das Londoner Urteil, das dürfen sich die Deutschen erlauben.

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Website-Comment: Typisch für die Wahrheitsliebe des Tagesspiegels: In der BRD wurde Mr Irving nie wegen Volksverhetzung verurteilt, nur unter den deutschen Gesetzen zur Kürzung der Meinungsfreiheit.


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Berlin, den 12. April 2000

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