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Frankfurter Allgemeine Zeitung

Frankfurt, Mittwoch, 9. Februar, 2000


Guten Tag, Herr Professor

Aus dem Irving-Prozess: Christopher Browning im Zeugenstand

LONDON, 7. Februar

Sir John KeeganVon den vier [sic. Richtig: drei] Zeugen, die David Irving dem Gericht bisher präsentiert hat, kamen drei [sic. Richtig: zwei] wider Willen und nur, weil das Gesetz sie zwingt. Der hoch angesehene Militärhistoriker Sir John Keegan [rechts] ist vom Alter so gebeugt, dass er die Krawatte in Nabelhöhe am Hemd festgesteckt hat. Doch muss er in Irvings Reputationsmannschaft mitspielen. Seiner Aussage schickte er folgende kühle Worte voraus: „Ich möchte feststellen, dass ich nie mit Ihnen gesprochen und Sie noch nie zuvor gesehen habe." Keegan hat Irvings „Hitlers Krieg" über das Wochenende noch einmal „sehr sorgfältig" gelesen.

Der Dienst, den er dem Kläger mit seiner bloß fünfzehnminütigen Stellungnahme erwies, konnte dabei höchstens zur Hälfte in Irvings Interesse sein: Zwar bleibt Sir John dabei, „Hitlers Krieg" zu „bewundern und Anfängern zu empfehlen", weil es als erstes Buch die militärischen Entscheidungsabläufe aufseiten der Nazis intensiv beleuchtet habe. Das bedeute aber keineswegs, dass er ihm die Theorie abkaufe, wonach Hitler von der „Endlösung" nichts gewusst habe: „Ich denke weiterhin, dass diese Ihre Annahme pervers ist." Da war es wieder. das kleine Wort, um das im Gerichtssaal 73 schon so viel Aufhebens gemacht worden ist. Eingeführt hat es ursprünglich Irving selbst, der die Worte der Verteidigung, die gewöhnlich von „Fehlinterpretation" und „absichtlicher Verfälschung und Verdrehung" spricht, umstandslos in „pervers" zusammengefasst und zu seinem Lieblingswort erkoren hat.

Doch auch Keegan schreckte vor dem bösen Wort nicht zurück. Er ging sogar noch weiter und bescheinigte Irving einen „Mangel an moralischer Sichtweise". Irving sagte „very well". Er scheint solche Bemerkungen geradezu zu überhören, wenn vorher nur sein Buch als „hervorragend" und „wichtig" gelobt worden ist. Die typisch Irvingsche Beweisführung funktioniert im Positiven wie im Negativen gleich: Wenn man ihm ein Stückchen Recht gibt, fühlt er sich schon im Besitz der ganzen Wahrheit. John Keegan findet etwas Gutes an meinen Büchern -- ich habe bewiesen, ein anerkannter Historiker zu sein.

Umgekehrt: Van Pelt gibt zu, dass die Zyklon-B-Einfülllöcher im Dach von Krematorium II heute nicht mehr nachzuweisen sind -- ich habe Recht, es hat sie nie gegeben.

Differenzieren ist seine große Stärke nicht. Es ist schon so, wie Richard Rampton sagt: Mit ehernen Scheuklappen stürzt Irving sich auf Details und setzt sie befriedigt in den Rahmen ein, den er selbst sich so gesteckt hat.

Danach ein großer Mann mit breitem Brustkorb, unerschütterlicher Ruhe und mittelamerikanischem Akzent: Als Gutachter der Verteidigung tritt Christopher Browning in den Zeugenstand. Die Gegenseite sieht an solchen Tagen aus wie eine Herde, die sich zum Ruhen niedergelassen hat: Die Aktenstapel sind abgebaut, Richard Ramptons Stehpult ist zur Seite geschoben. Die Frequenz der hin- und hergereichten gelben Zettel fällt beinahe auf null. Die zahlreichen Helfer und Assistenten sitzen still. Alle drei Reihen Verteidigung hören nur zu. Das Wort hat David Irving in seiner zweiten Rolle als sein eigener Rechtsanwalt.

Christopher Brownings Auftritt war in London mit Spannung erwartet worden. Die Zuhörerbänke sind voll besetzt. Eine strenge Lady, der Saal-Clerk, wacht darüber, dass kein Interessent zu viel hereinkommt. Unbarmherzig vertreibt sie Unberechtigte von den Presseplätzen. Private Zuhörer stehen im Korridor stundenlang an. Nur wenn einer nach Hause geht, darf ein Nächster herein.

Trotzdem geschah einen Tag lang einfach nichts. Irving attackierte Browning nicht, er zerpflückte nicht dessen Gutachten, er stellte nicht einmal, wie bei van Pelt, dessen Fachkompetenz in Abrede. Er sagte freundlich „Guten Morgen, Professor Browning"' bemerkte, dass er bisher „noch nicht das Vergnügen gehabt hatte, ihn kennen zu lernen", und begann dann ein Fachgespräch unter Kollegen, in dem bloß ein paar Mal der Richter auf der Strecke blieb. Der kann schließlich, anders als die beiden disputierenden Herren, kein Deutsch und weiß nicht immer gleich, von welchem Dokument die Rede ist. Ein einziges Mal kam es zu einer Missstimmigkeit, als Irving den Sprachwissenschaftler herauskehrte. Es ging um eine Bemerkung in den Goebbels-Tagebüchern [sic. Richtig: Himmler-kalendar], wo Hitler mit dem Befehl zitiert wird, „die Juden als Partisanen auszurotten"[sic. Richtig: „Judenfrage | als Partisanen auszurotten"]. Belobigt von seinem Verhörer übersetzte Browning „als" mit „as" und nicht mit „like", was ja, wie Irving zufrieden anmerkte, im Deutschen „wie" heißen müsste.

Bei der folgenden Irvingschen Conclusio jedoch verlor Christopher Browning ein wenig die Contenance. Irving will dieses „als" so verstanden wissen: „Als die Partisanen, die sie sind". Will meinen: nur solche ausrotten, die Partisanen sind. Browning gab ihm zur Antwort: „Das ist schierste Phantasie, die ich nicht teile." Doch davon abgesehen, war dieser sechzehnte Tag, der erste der fünften Woche, verwirrend beschaulich. Was hat er vor, fragte man sich ratlos, worauf will er hinaus? David Irving, den nur seine einschlägigen Anhänger, die bei Widerrede übrigens schnell ausfällig werden, als Historiker anerkennen, hat bei den meisten anderen zumindest einen Gerissenheitsbonus. Obwohl er Professor Browning nur noch längstens einen Tag in Anspruch zu nehmen angekündigt hat, wird er irgendeiner komplizierten Strategie verdächtigt. Dass ihm bloß langsam die Luft ausgeht, will hier keiner glauben. Der Prozess wird fortgesetzt. EVA MENASSE

 


 

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Wednesday, February 9, 2000
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