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Zürich, Mittwoch, den 12. Januar 2000


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FEUILLETON
Mittwoch, 12.01.2000 Nr.9 57

 

Das letzte Wort zur «Auschwitz-Lüge»?

Der Holocaust-Leugner David Irving vor Gericht - als Kläger

Der britische Historiker David Irving hat sich mit seinen Studien zum Zweiten Weltkrieg zunächst dank sorgfältiger Recherchierarbeit einen Namen gemacht. Immer deutlicher schlug er sich aber auf die Seite der sogenannten Revisionisten, welche das Faktum des Holocaust bestreiten. Gegen eine Historikerin, die ihm dies vorhielt, hat er nun geklagt.

 

Irving kommt beim Gericht anDer Saal 37 der Royal Courts of Justice hat schon viele grosse Prozesse gesehen. Bei wenigen aber kann so viel auf dem Spiel gestanden haben wie bei der Schadenersatzklage Irving contra Penguin Books Ltd., die seit dem 11. Januar verhandelt wird.

Fünf Jahre haben beide Parteien sich auf diesen Tag vorbereitet. David Irving, der Kläger, ist Gerichtssäle gewohnt. Er hat seine Gegner schon oft auf Schadensersatz verklagt und hat selber häufig auf der Anklagebank gesessen. Einen Namen hat er sich ursprünglich als Verfasser historischer Werke gemacht. Nach Kriegsende lebte Irving ein Jahr lang als Stahlarbeiter an der Ruhr, um Deutsch zu lernen. Ohne fertig studiert zu haben, begann er dann eine Karriere als Historiker des Zweiten Weltkrieges und genoss schon bald, besonders wegen seiner gründlichen Quellenarbeit, einen gewissen Ruf.

Respekt mit Vorbehalten

Sein 1977 erschienenes Buch «Hitler's War», in dem er behauptete, der «Führer» habe bis 1943 nichts von der Existenz der Vernichtungslager gewusst und sei von Goebbels manipuliert worden, machte ihn zum Mittelpunkt einer leidenschaftlichen Kontroverse. Seitdem hat Irving etwa zwanzig weitere Bücher geschrieben, in denen er die Position der Revisionisten und die «Auschwitz-Lüge» fortgesetzt propagiert. Auf einer eigenen Website präsentiert er seine Version der Geschichte und sammelt «relevante» Informationen.

Trotz seinen Behauptungen wurde Irving anfänglich von Historikern als hervorragender Sachkenner und Archivarbeiter angesehen und mit Respekt behandelt. Der linksliberale Publizist Christopher Hitchens nannte ihn «nicht nur einen faschistischen Historiker - [sondern] auch einen grossen Historiker des Faschismus», während Gordon A. Craig, der sich mit der Studie «Germany 1866-1945» international einen Namen gemacht hat, Irving als ein «Ärgernis» bezeichnete, jedoch einräumte: «Tatsache ist, dass er mehr über den Nationalsozialismus weiss als die meisten professionellen Akademiker in seinem Feld.» Irvings Hitler-Biographie, schrieb Craig, «bleibt die beste Studie über den Zweiten Weltkrieg aus deutscher Sicht, die wir haben». Auch der weithin geachtete britische Kriegshistoriker Sir John Keegan macht klar, dass er Irving respektiert: «Kein Historiker kann es sich leisten, Irving zu ignorieren. Seine Darstellung Hitlers ist ein wichtiges Korrektiv der gängigen angelsächsischen Version des Krieges - wenn auch eine defiziente Version, denn sie entbehrt des moralischen Urteils.»

Im Laufe der achtziger Jahre verspielte Irving jedoch alle Sympathien, die Historiker für ihn haben mochten. Er trat regelmässig als Sprecher auf rechtsextremistischen Veranstaltungen in den USA, Deutschland und anderen Staaten auf und wurde auch in seiner Publizistik zusehends schärfer und kompromissloser. Dokumentationen aus jener Zeit zeigen ihn in Gesellschaft von Neonazis wie Michael Kühnen und Ewald Althans oder von Ernst Zündel, Autor von Büchern wie «The Hitler We Loved and Why» (herausgegeben von «White Power Publications») und «UFOs: Nazi Secret Weapons?». Auch der in rechtsextremistischen Kreisen legendäre Altnazi General Otto Ernst Remer war auf diesen Veranstaltungen zu sehen. Remer demonstrierte seinen Sinn für «Humor» einmal dadurch, dass er an einem Gasfeuerzeug roch und sagte, er sei «wie ein Jude, der Heimweh nach Auschwitz hat».

Den aussagekräftigsten Beleg für Irvings historische Ansichten und politische Überzeugungen aber bietet die Liste seiner eigenen Publikationen und Vorträge. In Grossbritannien ist die Leugnung des Holocaust nicht strafbar, und so finden sich in seinen Veröffentlichungen immer wieder Absätze wie: «Es gab keine Gaskammern in Auschwitz. Ungefähr 100 000 Menschen starben in Auschwitz innerhalb von drei Jahren. Wenn wir grosszügig sind und annehmen, dass etwa ein Viertel davon ermordet wurde, müssen wir auch bedenken, dass die Briten in einer einzigen Nacht 50 000 Deutsche umbrachten, als sie Hamburg bombardierten», oder: «Auschwitz war kein Vernichtungslager, und der Holocaust war ein Propagandatrick der Briten.» Die Gaskammern, so Irving, seien nach dem Krieg von polnischen Kommunisten oder von den Alliierten gebaut worden.

Antisemitische Anschwärzungen

Irving hat auch seine eigene Version, wer von einem solch elaborierten Betrug profitieren würde: «Wenn die Gaskammer-Legende zusammenbricht, was wird das für Israel bedeuten? Israel bekommt viele Millionen Dollar pro Jahr vom deutschen Steuerzahler - und von amerikanischen Steuerzahlern, die die Israeli immer noch ertragen, weil die Juden so gelitten haben.» Obwohl Irving vorsichtig ist, öffentlich explizit antisemitische Bemerkungen zu machen, wird doch bald klar, dass er glaubt, von dunklen Kräften verfolgt zu werden. Angesichts des anstehenden Prozesses schreibt Irving auf seiner Website: «Die traditionellen Feinde der Wahrheit scheinen einen globalen Angriff auf mich vorzuhaben.»

Wer die «traditionellen Feinde der Wahrheit» sind, wird bald klar: Irving gebraucht Techniken, die seit dem «Dritten Reich», gelinde gesagt, ungewöhnlich für einen Historiker sind. In seiner Goebbels-Biographie werden jüdische Personen, die ihre Namen änderten, häufig mit ihren jüdisch klingenden Namen in Klammern genannt - also «Max Reinhardt (Max Goldmann)», «Kurt Eisner (alias Isidor Kosmanowski)» und so weiter. Auch Irvings Nachrichtenbulletins, die er aus respektierten Quellen in aller Welt zusammensucht, sind nicht ganz unparteiisch: hier geht es um «jüdisch-orthodoxe Drogenkuriere», die «Erpressung von seiten des World Jewish Congress», die «jüdische Kontrolle Hollywoods» und die «überproportional hohe Anzahl von Juden in der Kommunistischen Partei der Sowjetunion». Die Quelle für diese letzte «Nachricht» ist der Chefstatistiker in Diensten des Reichsführers der SS, Heinrich Himmler. Auch ein farbiges Hitler- Poster wird auf der Website angeboten, für rund fünfundvierzig Franken inklusive Verpackung.

Trotz solchen Tiraden ist David Irving aber nicht der Angeklagte in dem gestern begonnenen Prozess, sondern der Kläger. Angeklagt ist das Verlagshaus Penguin Press, das 1995 ein Buch mit dem Titel «Denying the Holocaust» der US- Historikerin Deborah Lipstadt publizierte. Darin bezeichnet Lipstadt Irving als einen «Hitler-Verehrer, der die Geschichte verdreht, um sein Idol in einem besseren Licht erscheinen zu lassen». Hiergegen hat Irving geklagt.

Die rechtliche Situation

Nach britischem Recht ist das Verbreiten der «Auschwitz-Lüge» nicht strafbar, und die Beweislast in diesem Prozess liegt bei Lipstadt und ihren juristischen Vertretern. Die rechtlichen Bestimmungen zur Rufschädigung sind in England strenger als in den USA, wo Lipstadts Buch bereits 1993 erschienen war, aber von Irving wohl kaum zu einem «Fall» für die Justiz hätte gemacht werden können. Beide Parteien haben sich eingehend auf den anstehenden Prozess vorbereitet und internationale Experten aufgeboten (in Irvings Fall erscheinen sie oft nur auf gerichtliche Vorladung hin), um ihre Version der historischen Ereignisse zu untermauern. Die Kosten des Prozesses gehen schon jetzt in die Millionen.

Was die Sache Irving contra Penguin bedeutsam macht, ist nicht, dass es hier um Reputation und möglichen Ruin eines rechtsextremistischen Publizisten geht, sondern dass das Aufgebot internationaler Spezialisten eine einzigartige Gelegenheit bietet, die «Auschwitz-Lüge» in allen Details zu widerlegen. Freilich wird Irving, der sich selbst vor Gericht vertritt, die Gelegenheit nutzen, um seine revisionistischen Theorien im Gerichtssaal auszubreiten. Wer ihn dabei finanziert, ist unklar. Irving lebt in einem teuren Stadtteil Londons, und seine Recherchen erfordern erhebliche Geldmittel. Nach seinen eigenen Angaben ist es ein Kreis von treuen Freunden, der ihm erlaubt, so zu leben. Nach Ansicht seiner Gegner wird er von rechtsextremistischen Organisationen unterstützt.

Philipp Blom

© AG für die Neue Zürcher Zeitung NZZ 2000


Wednesday, January 12, 2000

A pdf version of the above article is also available. It is prudent to warn users that this article is highly defamatory, and contains a blatant lie in almost every line. It is reproduced purely as an indication of the methods of the enemies of the truth.

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